Der KVN trauert um die Karatelegende Hanshi Fritz Nöpel


Nachruf

Der KVN trauert um die Karatelegende Hanshi Fritz Nöpel

Im Alter von 85 Jahren ist der höchstgraduierte Dan-Träger im Deutschen Karateverband am 19. November 2020 in Kamen verstorben. Wir trauern um einen Karatepionier.

Fritz Nöpel, 2019 zu Gast beim DKV-Tag in Ludwigsburg

Um Fritz Nöpels Lebensart zu verstehen, ist es notwendig, seine Historie zu kennen – und die hat es in sich. Hanshi Fritz Nöpel zu Ehren, wollen wir seine Stationen im Leben und seine Bedeutung für das Karate und besonders das Gojo-Ryu Karate in Deutschland und auch im KVN im Folgenden würdigen.

Fritz Nöpel wurde am 3. November 1935 in Breslau geboren. Nach einer Bergmanns-Lehre in Dortmund zog es ihn zum Studium der Bergbautechnik nach Schweden. 1954 ließ er die Universität hinter sich und begann einen abenteuerlichen Lebenslauf, der mit einer Weltreise mit dem Fahrrad von Deutschland nach Japan (1957) begann.

Diese Tour führte ihn dabei in 26 Länder auf mehreren Kontinenten – darunter Japan und Sri Lanka. In Colombo, der Hauptstadt Sri Lankas, kam er 1956 das erste Mal mit der Sportart Karate in Kontakt. Ein Jahr später entschied sich Nöpel dann, für längere Zeit in Japan zu bleiben.

Fritz arbeitete nach einer Ausbildung zum Berufstaucher in den USA (Winter 1957/1958) als Taucher in Japan. Neben seiner Arbeit erlernte und verfeinerte er das Goju-Ryu-Karate bei Meister Tomaharu Kisaki (1921-1996, 9. DAN) im Yuishinkan-Dojo in Osaka. Die Beziehung zwischen Nöpel und Kisaki war nicht nur von gegenseitigem Respekt geprägt, sondern ging weit über das Sportliche hinaus. Bis zum Tod von Kisaki (1996) hatten sich beide Großmeister regelmäßig besucht. Meister Tomoharu Kisaki (9. Dan) kam 19-mal nach Deutschland und machte Fritz Nöpel noch zu Lebzeiten zum offiziellen Beauftragten des Goju-Ryu für Deutschland.

1961 heiratete er Eiko Nakabajasi. 1967 kehrte er mit ihr und Tochter Jaqueline nach Deutschland zurück. Hier war er bis zu seiner Pensionierung 1996 als Gleisbauer und Vermesser bei der Deutschen Bundesbahn beschäftigt. Mit seiner Frau Eiko hat er fünf Kinder.

1967 gründete Fritz das erste Goju-Ryu Dojo in Dortmund und 1972 den Goju-Ryu Karate Verband Deutschland (GKD). Als Stilgründer war er eine Ausnahmeerscheinung im deutschen Karate. Über 24 Jahre blieb er Präsident des Verbandes und war bis zuletzt dessen Ehrenpräsident.

Fritz gehörte zu den Mitbegründern des Deutschen Karate Verbandes (DKV). Er war damit 1976 maßgeblich an diesem Meilenstein auf dem Weg zur Einheit unseres organisatorisch vorher stark zersplitterten Sports beteiligt. Einheit in der Vielfalt war einer der Wahlsprüche des Hanshi.

Gemeinsam mit Pieter Harms (Belgien) und Harry de Spa (Niederlande) gründete Fritz 1986 die Europäische Goju-Ryu Karate-Do Föderation (EGKF) und übernahm für 15 Jahre die Präsidentschaft. Bis zuletzt war er Ehrenpräsident der EGKF. Im Laufe der Jahre hatte Fritz viele weitere Ämter im Karate inne.

Über die Gründung von rund 30 Dojos hat er sein Karate in Deutschland verbreitet und zu einem anerkannten Stil gemacht. Er ist deshalb unbestritten einer der Pioniere des Karate in Deutschland. Es war ihm ein dringendes Bedürfnis, seine Kenntnisse mit möglichst vielen Menschen zu teilen und seine traditionell geprägte Auffassung von Karate als effektiver Kunst zur Selbstverteidigung zu verbreiten.

Herr Nöpel verstand die Kampfkunst Karate als eine lebenslange Schulung des Körpers, des Geistes, der Seele und des Charakters und damit als ganzheitlichen Lebensweg (Do).  Das wichtigste im Karate-Do war für ihn die Charakterschulung. Gern sagte er seinen Schülern „der Weg ist immer die Menschwerdung“ und brachte damit seine Auffassung von Karate auf den Punkt.

Bis zuletzt war Sensei Nöpel mit ungebrochenem Einsatz und Freude in allen Bundesländern unterwegs, um seine technische und intellektuelle Auffassung von Karate zu verbreiten. Auch in Niedersachsen gab er spezielle Lehrgänge wie in Osnabrück und Seelze die immer Stielrichtungsoffen waren. Pro Jahr gab er rund 50 Tages- und Wochenendlehrgänge im In- und Ausland.

Bei etwa 25 Dan-Prüfungen übernahm Fritz jährlich den Vorsitz und es war für viele Karateka (auch aus anderen Stilrichtungen) eine große Ehre, bei diesem Großmeister ihre Prüfung ablegen zu dürfen. Auch in diesem Jahr war wieder für hohe DAN Grade eine bundesweite Prüfung im KVN geplant. Als Ausrichter stellte sich der Karate Club Seelze wie in den Jahren zuvor mit dem richtigen Rahmen zur Verfügung.

Als Kenner Japans hat er im Laufe der Jahre zahlreiche Reisen mit interessierten Karatekas auch aus Niedersachsen nach dort unternommen. Er brachte nicht nur unserem Stilrichtungsreferenten Wilfried Nickel und den Mitreisenden das Land, seine Kampfkunst näher, sondern es wurde auch mit Japanischen Trainern in einem Sportcenter trainiert, in dem eine Woche japanische Kultur gelebt wurde.

Gleichzeitig reiste Fritz mit Gruppen in die USA, wo er viele Jahre lang in Las Vegas Karatelehrgänge in einem amerikanischen Dojo leitete.

Jährlich führte Fritz – mit weiteren Trainern – einen Karatelehrgang auf Mallorca durch. Aufgrund seiner umfassenden Lehrtätigkeit genoss er weltweit ein hohes Ansehen.

Seit 1989 richtete Fritz alle zwei Jahre in seiner zweiten Heimatstadt Kamen einen großen Karate-Sommerlehrgang aus, zu dem bis zu 900 Sportlerinnen und Sportler aus Deutschland und dem Ausland anreisten. Delegationen kamen unter anderem aus Japan, dem ehemaligen Jugoslawien, aus Polen, Österreich, Frankreich, Skandinavien, Mexiko, von den Philippinen, aus den USA, Tschechien, Portugal, den Niederlanden und aus Belgien.

Ab 1986 wandte sich Fritz besonders dem Karate für Jukuren (Lebenserfahrene) und damit den älteren Menschen zu. Er baute im DKV eine heute sehr wichtige Säule unserer Kampfkunst auf und erweiterte das Trainingsspektrum um Methoden, die älteren Menschen eine aktive und lebenslange Teilnahme am Karate ermöglichen. Auch in dieser Hinsicht war er ein echter Pionier.

1986 war zudem das Jahr, in dem der Deutsche Karate Verband Fritz Nöpel zum Goju-Ryu-Bundesprüfer-Referenten berufen hatte. Diesen Posten hatte der Herausgeber zahlreicher Arbeitshefte und einer Publikation über „Jukuren“ – einem weiteren Schwerpunkt, dem sich Nöpel mit Verve und Leidenschaft gewidmet hatte – bis 2018 inne. Zwei Jahre zuvor konnte der Träger der DKV-Platin-Nadel nicht nur auf 60 Jahre Karate und 30 Jahre Bundesprüfer-Referent zurückblicken, sondern auch den höchsten DAN-Grad in Empfang nehmen. Abgenommen hatte die Prüfung die Belgische Oginawa Goju-Ryu Association unter der Leitung von Rioishi Sasagawa und Pieter Harms. Die Graduierung wurde anschließend vom DKV anerkannt.

Darüber hinaus erhielt er die Goldene Plakette und die Goldene Karate-Do-Nadel des Yuishinkan-Verbandes in Japan.

(Bildarrangement von Alexandra Höner)

Der DKV und auch der KVN haben einen großen Meister und eine herausragende Persönlichkeit verloren. Am Sonntag, den 6. Dezember 2020, erwies auch der KVN, vertreten durch Wilfried Nickel, Fritz Nöpel an seinem Grab die letzte Ehre.

Unser Mitgefühl gilt seiner Frau Eiko Nakabajasi, mit der Fritz 59 Jahre verheiratet war, und seiner Familie.

Wilfried Nickel, Dierk Hickmann

Der Text wurde mit Informationen und Bildern u.a. von Dirk Kaiser/DKV, Rainer Katteluhn/KDNW und Alexandra Höner/KDNW ergänzt.